Angebotsoffensive: Deutsche Bahn will Fernverkehr in die Fläche zurückbringen

Das neue Fernverkehrskonzept der Deutschen Bahn, das Personenverkehrsvorstand Ulrich Homburg heute präsentierte, erscheint äußerst ambitioniert. Bis 2030 will die DB das Fernverkehrsangebot um 25 Prozent ausbauen, auf den Hauptachsen zwischen den Metropolen sollen ICE-Züge zweimal pro Stunde in jeder Richtung fahren. Auch in der Fläche soll es künftig wieder ein deutlich ausgebautes Fernverkehrsangebot geben. Und noch ein paar Zahlen: 12 Milliarden Euro lässt die Bahn sich das Vorhaben kosten, 1.500 neue Arbeitsplätze entstehen und schließlich soll die CO2-Produktion um rund 1,7 Millionen Tonnen pro Jahr reduziert werden.

Nicht zu unrecht spricht Homburg von der „größten Kundenoffensive der Bahngeschichte“. Ganz überraschend kommt die Ankündigung aber nicht. Die Bahn ist im Zugzwang, nachdem der Bund mit der Liberalisierung des Fernbus-Marktes eine größere Konkurrenz als ursprünglich erwartet auf die Straße gestellt hatte. Die Reaktion der Bahn fällt massiv und umfassend aus – kommt aber erst 2030 im vollen Umfang zur Geltung. Marktwirtschaft und Wettbewerb sind Treiber dieser Angebotsoffensive der Bahn, die tatsächlich einmal eine Alternative zum Bus darstellen könnte.

ICE im Halbstundentakt

Die wichtigsten deutschen Großstädte will die deutsche Bahn künftig im 30-Minuten-Takt miteinander verknüpfen. Ulrich Homburg spricht leicht schmunzelnd von „einer großen, schnellen, deutschlandweiten S-Bahn im ICE“. Das Rückgrat dieser Verkehre bilden 360 Fahrzeuge, die bis 2030 beschafft werden sollen. Die geplante Verdichtung des Kernnetzes dürfte sich auch auf die Kundenzufriedenheit auswirken. Kommt es zu Ausfällen auf den Magistralen, verkürzt sich die Wartezeit bis zum nächsten Zug. Außerdem dürften die Fahrpreis-Erstattungen für Verspätungen ab einer Stunde merklich nachlassen.

IC-NEU: Fernverkehr in der Fläche

Chemnitz, Cottbus, Fürth, Heilbronn, Potsdam oder Siegen sind nur einige Namen deutscher Städte, die nach Jahren wieder an das Fernverkehrsnetz der Bahn angeschlossen werden. Dazu kommen nochmals 15 neue IC-Halte in Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern, etwa Brandenburg, Plauen, Tübingen, Wetzlar oder Zwickau. Bis 2030 sollen nahezu alle deutschen Großstädte im Zwei-Stunden-Takt angeschlossen sein. Gefahren werden soll auf dem IC-NEU-Netz mit Doppelstock-Zügen. 190 Stück will die Bahn bis 2030 davon beschaffen.

Bombardier Twindexx Vario mit Ellok Baureihe 146 im ICE-Werk in Leipzig.
Mit Doppelstock-Zügen will die Bahn Fernverkehr in der Fläche anbieten. Das Bild zeigt einen solchen Zug vom Typ Bombardier Twindexx Vario im ICE-Werk in Leipzig. (Foto: Kai Michael Neuhold/Deutsche Bahn)

Die Einführung dieses ergänzenden Fernverkehrsnetzes ist sukzessive vorgesehen. Startschuss ist bereits Ende diesen Jahres auf den Linien Leipzig-Emden und Dresden-Köln, in den kommenden Jahren sollen Nürnberg-Karlsruhe und Stuttgart-Zürich in das neue Konzept integriert werden. Im Dezember 2019 soll die IC-Linie Münster-Siegen-Frankfurt an den Start gehen, bis 2022 rollen die Doppelstock-ICs zwischen Cottbus und Norddeich.

Einige weitere Verbindungen könnten allerdings zum Politikum werden. Die Einführung von fünf Verbindungen, darunter Düsseldorf-Gera-Chemnitz und Dresden-Hof-München, verknüpft die Bahn mit der Voraussetzung, das Teilstrecken für elektrischen Zugbetrieb hergerichtet werden, auf denen bislang noch mit Dieselfahrzeugen gefahren wird. Hier kommen Bund und Länder ins Spiel, die den Streckenausbau etwa der Naabtalbahn (Hof-Regensburg) oder der Südbahn (Ulm-Lindau) in der Regel finanziell unterstützen.

Angepasstes Preissystem

Drittes Standbein der Angebotsoffensive ist das Preissystem. Vorweg: Allen Unkenrufen zum Trotz bleibt die BahnCard erhalten, künftig will die Bahn sie auch mit nur drei statt bisher zwölf Monaten Laufzeit anbieten. Ob sie aber weiterhin so ein Renner bleibt wie bisher, ist fraglich, denn mit einer weiteren Änderung wird die Bahn auch für Gelegenheitskunden deutlich Attraktiver: Ab 2016 sollen Sparpreise für ICE und IC bis kurz vor Abfahrt buchbar sein – inklusive kostenloser Sitzplatz-Reservierung in der ersten und zweiten Klasse. Außerdem will die Bahn stärker als bisher Nahverkehrs-Tickets in ihren Fernzügen akzeptieren.

Im Gegensatz zum länderfinanzierten Nahverkehr muss die Bahn Fernverkehrszüge aus ihrer eigenen Tasche bezahlen. Deshalb erscheinen die Pläne der Bahn sehr ambitioniert. Das der Plan aufgeht, davon ist die Bahn offenbar überzeugt. Geld reinkommen soll durch mehr Reisende, die auf den Zug umsteigen. Angepeilt ist, dass 50 Millionen zusätzliche Reisende pro Jahr auf den Zug umsteigen, angelockt von mehr umsteigefreien Verbindungen, komfortalblen Zügen und Serviceleistungen wie freiem WLAN in allen Klassen.

Fahrgastverband begrüßt Konzept

Erstaunlich, aber vor dem Hintergrund expandierender Fernbuslinien notwendig erscheinen die Reaktivierungen von für den Fernverkehr lange tot geglaubten Relationen. Die Stadt Trier ist erst vor kurzem vom IC-Netz abgehängt worden, jetzt soll es wieder neue Linien in den Westen der Republik geben. Ein anderes Beispiel ist die Ruhr-Sieg-Strecke: Die Deutsche Bahn fuhr in den 1990er-Jahren mit InterRegio-Zügen Fernverkehr auf der Linie Frankfurt-Siegen-Münster. 2001 war dann Schluss auf der Verbindung – zu schwach frequentiert und deshalb unrentabel sollen die Züge vor allem auf der Teilstrecke von Hagen nach Siegen gewesen sein. Heute kämpfen die Städte an der Linie mit schrumpfenden Einwohnerzahlen – und damit sinkenden Fahrgastpotential.

Kommt das Konzept wie heute angekündigt, dann kommt es weltweit als vorbildlich geltenden Bahnsystemen wie dem der Schweiz sehr nah. Der Fahrgastverband PRO BAHN begrüßt deshalb die geplanten Ausweitungen der Verbindungen in die Regionen, die in der Vergangenheit vom Fernverkehr abgeklemmt wurden, erwartet aber zugleich deutlich stärkere Bemühungen zur Bekämpfung der Unpünktlichkeit des Zugverkehrs.

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